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Titel
Die Stadt als Museum?. Die Wahrnehmung der Monumente Roms in der Spätantike


Autor(en)
Behrwald, Ralf
Reihe
Klio-Beihefte N.F. 12
Erschienen
Berlin 2009: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
343 S.
Preis
€ 69,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kathrin Schade, Winckelmann-Institut, Humboldt-Universität zu Berlin

„Die Stadt als Museum?“ – diese Frage stellt die vorliegende Untersuchung von Ralf Behrwald, die im Wintersemester 2004/05 an der Fakultät für Geschichts- und Geowissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg als Habilitationsschrift angenommen wurde. Die Frage greift eine Metapher auf, die in der jüngeren, seit den letzten 15 Jahren geradezu hochkonjunkturellen Forschung zum spätantiken Rom eine Interpretationsrichtung umschreibt: die Stadt Rom als „ville-musée“, als ein historisch konserviertes „Museum der Vergangenheit“.1 Rom als traditionelle Bühne städtebaulicher Inszenierung sei, so eine prominente Forschungsmeinung, auch noch in der Spätantike von einer politischen Topographie geprägt gewesen, die sich aus der Konkurrenz von Kaiserhaus und traditionsbewusster Senatsaristokratie entwickelt habe (S. 17, Anm. 21). Das Fragezeichen im Titel deutet bereits an, dass Behrwald den Aspekt einer historisierenden Rückschau auf Roms „Denkmaltopographie“ kritisch zu diskutieren beabsichtigt. In der Einleitung (S. 11-27) verrät er, dass im 5. nachchristlichen Jahrhundert die historischen Bauten Roms eine neue, eher nostalgische Wertschätzung erfuhren. Wie es dazu kam, davon handelt der eigentliche Betrachtungszeitraum: das Jahrhundert zuvor, markiert durch die Ereignisse von 312 und 410 n.Chr. Im Zentrum steht die Frage, welche Monumente von Kaiser, Senat und Christen beansprucht und wie dieselben von diesen wahrgenommen wurden. Möglicherweise, so seine These, gibt es „ein gleichzeitiges Nebeneinander ganz verschiedener Denkmaltopographien […], welche nicht notwendig miteinander in Konflikt geraten müssen“ (S. 23).

Die Analyse der Quellen ist in drei Kapitel unterteilt: Kaiser, Senatsaristokratie und Christen. Hinzu kommt jeweils ein Exkurs zur spätantiken Gesetzgebung (S. 99-127) sowie zu den Regionenkatalogen Curiosum und Notitia urbis Romae (S. 185-211). Es muss nicht weiter betont werden, dass eine Scheidung in Kaiser, Senat und Christen ein gedankliches Konstrukt des modernen Historikers ist, da die Grenzen zwischen den drei Personengruppen bekanntlich fließend sind. Kapitel I (S. 29-196) widmet sich der kaiserlichen Selbstdarstellung auf Münzen, in Inschriften und in der spätantiken Gesetzgebung (S. 33-68). Behrwald betont, dass trotz des Verlustes der sedes imperii seit Diocletian für die kaiserliche Selbstdarstellung auch in der Spätantike die Idee der Roma aeterna fortbesteht. In der kaiserlichen Münzprägung ist Roma als Personifikation nach wie vor prominent; umgekehrt verschwinden allerdings die Darstellungen von Gebäuden, sieht man von den (senatorischen) Kontorniaten ab. Inschriften, seien es kaiserliche Bauinschriften oder solche der römischen Präfektur, betonen Renovierungsarbeiten an den Gebäuden. Es fällt auf, dass altersbezeichnende Termini wie vetustas oder antiquitas grundsätzlich negativ konnotiert sind. Weder das Alter noch die Historie der Monumente stehen also im Interesse der kaiserlichen Baupolitik, vielmehr ihr Gegenwartsbezug, die Funktion der Bauten als ornamenta oder ihr Nutzaspekt. Gleiches konstatiert Behrwald für die spätantike Gesetzgebung, die den Schutz von Gebäuden mitnichten aus nostalgischen Gründen formuliert, sowie für die panegyrischen Texte (S. 68-96). Ammians berühmte Beschreibung des Adventus Constantius’ II. im Jahr 354 bedient zwar den breiten Kanon der Bauten und Plätze Roms, freilich unter fast völliger Auslassung republikanischer Hinterlassenschaften. Bei Claudian wiederum ist Roma, analog der kaiserlichen Münzprägung, von zentraler Bedeutung; konkrete Bauwerke erwähnt der Dichter in seinem Romlob freilich nicht. Erst zum Ende des Jahrhunderts werden topographische Elemente wieder affirmative Mittel der Romideologie.

Wegen ihrer traditionellen Bindung an die Stadt Rom, forciert durch die eklatante Beschneidung militärischer Machtkompetenz seit dem 3. Jahrhundert, möchte man der Senatsaristokratie ein besonderes Engagement um die historischen Hinterlassenschaften unterstellen. Behrwald kommt zu anderen Ergebnissen: Den Inschriften zufolge (S. 132-146) investieren die Senatoren ihr Vermögen fast ausschließlich in Stiftungen des privaten bzw. halbprivaten Bereichs, was kaum erstaunt, war doch der öffentliche Raum schon seit Augustus kaiserliches Terrain. Anzumerken ist, dass staatstragende republikanisch-kaiserzeitliche Orte nun auch notgedrungen ‚privat betrieben‘ werden können, wie im Fall des Vesta-Kultes auf dem Forum Romanum, der, nachdem Gratian die staatlichen Zuschüsse gestrichen hat, einige Jahre von Privatspenden weiterfinanziert wird.2 Ansonsten beschränkt sich die senatorische Bautätigkeit auf Renovierungsarbeiten. Die Aktivitäten des Stadtpräfekten verdeutlichen einmal mehr die Rollenüberschneidung von Senator und kaiserlichem Funktionär. In den Schriften des Symmachus als Vertreter des heidnischen Senats spielen Topographie und Bauwerke erneut eine nur untergeordnete Rolle, auch Zeitbezüge bleiben gegenwartsorientiert (S. 147-157). Die Historia Augusta hingegen nennt in ihren Baukatalogen ein ganzes Spektrum an historischen Monumenten, die aus älteren Vorlagen kompiliert sind und bei denen es sich um dieselben Großbauten handelt, die schon bei der kaiserlichen Selbstdarstellung begegneten. In der Historia Augusta zeichne sich, so Behrwald, ein neues richtungsweisendes, literarisch motiviertes Interesse an Roms Bauten ab (S. 158-182).

Ebenso wenig wie zwischen Senat und Kaiser kann für Christen und Nichtchristen eine städtebauliche Konkurrenz ausgemacht werden. In Behrwalds Analyse (S. 213-279) wird deutlich, dass die Sichtweise der christlichen Autoren auf die historischen Monumente vom jeweiligen medialen Kontext ihrer Schriften abhängig ist: einerseits Ablehnung heidnischer Praktiken und ihrer Orte, andererseits Betonung der kaiserlichen Romidee, wobei etwa die Großbauten erwähnt werden, zu denen nun auch die kaiserlichen Kirchenstiftungen gehören, oder christlich konnotierte Orte als Authentizitätsbeglaubigung herangezogen werden. Insbesondere die späteren Autoren Hieronymus und Prudentius bedienen die Polysematik der Denkmaltopographie, ohne dass sie aber ihren theologischen Kampf direkt an den Bauwerken ausfechten; im Gegenteil, als ornamenta der Stadt gehe es darum, die Bauten von der Befleckung heidnischer Kulttradition zu reinigen. Rom ist gleichsam päpstlicher Sitz; Kaiser und Papst als Bauherren vermehren nun gleichrangig den Ruhm der Stadt (S. 277). Archäologisch ergänzend sei hier auf die Stiftungen päpstlicher Großbauten der ersten Hälfte des 5. Jahrhundert, Santa Sabina und Santa Maria Maggiore, verwiesen.3

Im 5. Jahrhundert habe die römische Denkmaltopographie dann eine neue Wertschätzung erfahren, wohl auch bedingt durch die Konkurrenz zu Konstantinopel. Behrwalds Schlussdarstellung beansprucht nur knapp zweieinhalb Seiten und resümiert ausschließlich die Ergebnisse der vorangegangenen Quellenauswertung (S. 281-283). Man hätte sich gewünscht, dass auf die in der Einleitung vielversprechend dargelegte Einbindung der Thesen in die Theoriemodelle von Nora, Assmann und Rüsen (S. 23-25) noch einmal Bezug genommen worden wäre. Und obgleich positiv hervorzuheben ist, dass Behrwald bei der Herleitung seiner Fragestellungen die archäologische Forschung gebührend berücksichtigt hat, spielt diese dann keine Rolle mehr. Die hier verwendeten Quellen repräsentieren innerhalb ihrer gattungsimmanenten Grenzen freilich nur eine Sichtweise innerhalb des kulturgeschichtlichen Diskurses. Für die spätantike Skulptur hat Peter Stewart jüngst betont, dass die radikalen Wandlungsprozesse, die archäologisch in der Gattung Plastik offenkundig sind, sich in den literarischen Quellen überhaupt nicht widerspiegeln. Statuen werden hier selektiv wahrgenommen, in das zeitgenössische Wertesystem assimiliert und flexibel gedeutet.4 Hätte man nur diese Quellen, entstünde ein völlig anderes Bild. Doch die Klärung solcher und anderer Fragen sollte die Aufgabe weiterer Forschungsarbeiten sein. Behrwald hat mit seinen souverän argumentierten Thesen in dem sorgfältig redigierten und angenehm lesbaren Buch hierfür eine sehr gute Diskussionsgrundlage vorgelegt.

Anmerkungen:
1 Bertrand Lançon, Rome dans l’antiquité tardive. 312-604 après J.-C., Paris 1995, S. 31; Franz Alto Bauer, Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos, Mainz 1996, S. 140 (zum Forum Romanum).
2 Vgl. auch das damit verbundene wechselseitige Dankesritual durch Aufstellung von Ehrenstatuen, das sich am Ende ebenfalls in den privaten Bereich verlagerte: Kathrin Schade, Frauen in der Spätantike. Status und Repräsentation. Eine Untersuchung zur römischen und frühbyzantinischen Bildniskunst, Mainz 2003, S. 69f.
3 Zusammenfassend Hugo Brandenburg, Die frühchristlichen Kirchen in Rom, Regensburg 2004, S. 167-189.
4 Peter Stewart, Continuity and Tradition in Late Antique Perceptions of Portrait Statuary, in: Franz Alto Bauer / Christian Witschel (Hrsg.), Statuen in der Spätantike, Wiesbaden 2007, S. 27-42.

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